Berichte eines Home-Officers – Tag 15

Ach, wie schön es doch wäre, den heimischen Esstisch auszulagern. In ein Gartenhäuschen vielleicht? Unser Home-Officer träumt davon, sein Homeoffice in ein idyllisches Gartenhaus – das es noch nicht gibt – umzuziehen. Der Architekt Roman Leonhartsberger schreibt in seiner täglichen Kolumne auf New Monday über die besonderen Herausforderungen in Home-Office-Zeiten. Denn auch er sitzt, wie Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an seinem Ess- äh Schreibtisch.
Veröffentlicht am 09.04.2020

Tag 15 – Auslagern als Methode

Nach dem Versuch des Ausbruchs vorgestern und der Kehrtwende zum Inwendigen gestern probieren wir heute ein Zwischending: das Auslagern. Ich mache mich wieder an die lang gehegte Idee einer neuen Nutzung für den Hof. Das mittlerweile wieder paradiesische Grün der hohen alten Bäume, die schattigen Ecken entlang der alten Mauern, und die versteckten Winkel mit mehr Moos als Gras hinter den Tiefgaragenabgängen: Mein Traum war immer, wenn gerade keiner guckt, mal ein kleines Gewächshaus ins Eck zu schmuggeln. Vielleicht ein gebrauchtes, das dann so aussieht, als wär es schon immer da gewesen. Dieses meinesachtens ebenso architektonisch wie städtebaulich-soziologisch gefärbte Projekt hätte den Vorteil, dass man sich eine Art Home Office da einrichten könnte, wo man weder zuhause ist noch arbeitet. Man wäre weder in seinen eigenen vier Wänden noch in der Öffentlichkeit. Obwohl dann sicher viele Leute von den Balkonen runtersähen, aber das wäre mir egal. Letztes Jahr bei der Internationalen Bauausstellung Thüringen hat man sowas in einer leeren Feuerlöscherfabrik von Egon Eiermann gemacht. Ganze Fabriketagen voller Glashäuschen, mit je ein bis zwei Arbeitsplätzen drin. Ein super Projekt, es hatte auch irgendwie einen surrealen Anstrich, da die leere Feuerlöscherfabrik an sich mehr atmosphärische Dichte hatte als vieles was das Städtchen sonst so hergab. Man hatte irgendwie weniger das Gefühl der Besetzung einer brachliegenden Struktur als einer Nachverdichtung an einem ohnehin schon tollen Ort – abgesehen von der Frage ob die Arbeitsbedingungen in fünf Quadratmetern Gewächshaus attraktiver sind als in 500 Quadratmeter Fabriketage – aber auch das wäre mir egal. Es wäre eben auch weniger ein Einlagern als wie schon gesagt ein Auslagern. Mit ganz viel Glück findet mich gar niemand, wenn ich mir einen Cézanne-Hut tief ins Gesicht ziehe und, eventuell auch aus energetischen Gründen, so ein Militärtarnnetz über alles drüberhänge.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

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