Berichte eines Home-Officers – Tag 16

Als Architekt ist unser Home-Officer Work-Life-Blending zum Glück gewöhnt. Denn die eigene Wohnung wird aufgrund der Ausgangsbeschränkungen schließlich zum Schauplatz von Freizeit und Arbeit. Der Architekt Roman Leonhartsberger schreibt in seiner täglichen Kolumne auf New Monday über die besonderen Herausforderungen in Home-Office-Zeiten. Denn auch er sitzt, wie Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an seinem Ess- äh Schreibtisch.
Veröffentlicht am 14.04.2020

Tag 16 – Zurück in die Zukunft

Ich habe es mitunter angedeutet – der faktische Ausschluss vom öffentlichen Leben resultiert auch bei mir im Bedürfnis, soziale Kontakte aufzunehmen und in gesteigerter Neugier: Beim Blick in die überregionale Wochenzeitung scheinen die Themen zwischen der wehmütigen Frage, wie unter diesen Bedingungen mit dem Frühling im Allgemeinen und dem Osterfest im Besonderen umzugehen ist und Erlebnisberichten aus dem eigenen Dasein zu wechseln. Ich fühle mich nach wie vor in bester Gesellschaft. Natürlich ist klar, dass vermutlich die Hälfte der westlichen Welt gerade eine derartige Home-Officer-Kolumne schreiben könnte, viele andere teilen schließlich ein ähnliches Schicksal. Zumindest meine Neugier wird aber nach wie vor durch die Besonderheiten regionaler und persönlicher Umstände geweckt. Beispiel: Ein anderer Kolumnist schreibt, dass bei ihm im Haushalt eine Art unvorhergesehener „Corona-Frieden“ eingekehrt sei – kurz, man verstehe sich trotz Durcheinander aus Homeoffice, Home Schooling und Pubertät deutlich besser als zunächst erwartet. Ich vermute, auch weil allen die Ausweglosigkeit der Lage klar ist. Auch meine eigene Umgebung wechselt nun ja täglich einmal vom Arbeitsplatz zum Schauplatz meiner Freizeit und zurück. Als Architekt sind mir „gleitende“ Arbeitszeiten zum Glück ja nicht fremd. So wie ich mich in meinem Büro zuhause fühle, war auch mein Heim schon seit geraumer Zeit nicht mehr frei von Hinweisen auf meinen Beruf. Mit anderen Worten, für mich ist die Umstellung weniger heftig. Nun meine Überlegung: Wie waren wohl die Epochen, als man morgens nicht ins Büro lief. Oder: Ist der sogenannte Corona-Frieden nicht vielleicht ein Symptom aus längst vergangenen Zeiten, als man zur Arbeit noch nicht unbedingt das Haus verließ? Vielleicht müsste man sich bemühen, den Laptop einfach nur wie ein altehrwürdiges Spinnrad zu sehen, wie einen Webstuhl am warmen Ofen oder einen Amboss in der Schuhmacherwerkstatt nur wenige Schritte von Strohsack und Nachttopf entfernt? Die Idee, die Genügsamkeit des Immer-schon-so-Gewesenen auf meinen Haufen offener Ordner zu projizieren bereitet mir eher Unbehagen.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

Profil anlegen