Berichte eines Home-Officers – Das dritte Wochenende

Die sozialen Medien schwanken zwischen Virus-Panik, hin zu Life-Hacks oder Klaustrophobiker-Memes. Und auch Verschwörungstheorien finden immer mehr Beachtung. Unserer Home-Officer beobachtet diese Entwicklungen mit Sorge und Verwunderung. An dieser Stelle berichtet unser Kolumnist Roman Leonhartsberger täglich aus dem heimischen Büroexil über seine Erfahrungen, damit wir uns alle nicht so alleine fühlen oder dabei verrückt werden. Denn unser Home-Officer sitzt, wie mittlerweile Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an seinem Ess- äh Schreibtisch.
Veröffentlicht am 06.04.2020

Das dritte Wochenende - Social Media Influenza 

Ein Blick in die sozialen Medien lässt erkennen, dass sich der Themenschwerpunkt von Virus-Panik über Life-Hacks im Homeoffice hin zu bissigen, selbstreferenziellen Klaustrophobiker-Memes verschoben hat. Wobei einzelne offensichtlich auch in den Übergangsstadien hängen geblieben sind. In der Krise zeigt sich der Mensch von seiner besten und schlechtesten Seite, und wenn das dann nur noch vorwiegend digital möglich ist, können wir uns auf einiges einstellen. Ich wage mir noch nicht mal auszumalen, wie das ganze sich entwickelt, wenn bei all den Leuten das Visum abläuft, die Ihr Geld mit Yoga und Selfies in Yucatán (#socialdistancing) verdienen. Gott sei Dank, möchte man sagen, gibt es Social Distancing nicht erst seit vier Wochen. 2015 hieß das Ganze noch Filterblase und bewahrt mit etwas Glück viele von uns davor, mit dem gleichen Content konfrontiert zu werden wie die Journalisten, die – sicherlich zurecht – mittlerweile davor warnen, dass Verschwörungstheorien und alternative Fakten im Netz warnen. Durch Abschirmung, wie diese und die allgemein kurze Halbwertszeit von Informationen, die zudem immer komplexer werden, gerät manches ins mediale Hintertreffen, über das man sich vor sechs Wochen noch verwundert die Augen rieb: Drohnen, die Chinesen auf dem Rückweg vom Einkaufen anbrüllen, Tech-Start-ups die Gesichtserkennungsdatenbanken ganzer Kontinente zum Pauschalpreis anbieten, der Megxit. Bevor ich in den Verdacht gerate, allgemeinen Kulturpessimismus zu verbreiten (in München sagen die Leute auch gerne einfach „Grant“) möchte ich betonen, dass ich der Digitalisierung aufgeschlossen und zuversichtlich gegenüberstehe und Verschwörungstheorien strikt ablehne. Und natürlich wäre es weltfremd, behaupten zu wollen, dass Internettrends oder Hashtags (oder TikTok) nicht mittlerweile einen soliden Eckpfeiler der globalen Kulturproduktion ausmachen. Ich finde nur einfach sehr schade, dass Donald Trumps Twittermeldungen mittlerweile so ins Abseits gedrängt wurden.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

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