Berichte eines Home-Officers – Tag 1

Schreibtisch, Küchentisch, Esstisch – in Zeiten von Homeoffice für ArchitektInnen alles dasselbe. Ist die Arbeit von Zuhause in der Baubranche noch eher ungewöhnlich, sitzen nun Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an ihren Ess- äh Schreibtischen. Damit wir uns alle nicht so alleine fühlen oder dabei verrückt werden, schreibt unser neuer Kolumnist Roman Leonhartsberger aus dem heimischen Büroexil über seine Erfahrungen. Jeden Tag ein Tagebucheintrag. Tag eins widmet sich der Terminologie – denn: Was ist das eigentlich, dieses Homeoffice?
Veröffentlicht am 20.03.2020

Tag 1 – Terminologie und Begriffsfeld

Home­of­fice, Home-Of­fice, das. Substantiv, neutrum.

Erstes Problem: Kann ich mich weiterhin vernünftig verständlich machen, meine Projekt- und Auftraggeberkommunikation fortführen ohne größere Missverständnisse? Während die Briten nicht verstehen, was ich wohl meine, wenn ich auf das Britische Innenministerium verweise, ist bei anderen noch der Begriff Telearbeit gebräuchlich. Oder man spricht von working remotely, das klingt irgendwie fortschrittlicher und auch unnahbarer. Noch vor kurzem irgendwo zwischen Prokrastination und Herdprämie angesiedelt, ist die Erwerbstätigkeit im häuslichen Umfeld schlagartig zum Standard avanciert. Klar abzugrenzen von Heimarbeit, Hausarbeit und Hausaufgaben ist Homeoffice für nicht muttersprachlich deutsche Kollegen ein Minenfeld der Fehlassoziationen. Im Schriftverkehr geht’s dann völlig drunter und drüber. Homeoffice, Home-Office, E-ARBEIT.

Ein Dickicht aus Euphemismen für das Dickicht aus Kindergeschrei, Pantoffeln und aus dem Büro „ausgeliehenen“ Lochern. Wichtige Themen werden die Bandbreitenaufteilung zwischen Netflix und Videokonferenz, die Frage nach der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben ist ja schließlich bis auf weiteres beantwortet. Auf eine merkwürdige Art und Weise fühle ich mich an die Ablaufsoptimierungen des Funktionalismus erinnert, die Frankfurter Küche, die Münchner Küche, die Arbeitsküche der Fünfziger, das Zellenbüro, das Schrankbett. Acht Mäuler zu stopfen, nur eine Stube, eine Petroleumlampe. Schlafgänger, Rachitis, Tuberkulose. Erstmal Staubsaugen.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

Profil anlegen