Berichte eines Home-Officers – Tag 2

Tagebucheintrag Nummer zwei unseres Home-Office-Architekten widmet sich dem neuen Dresscode im Homeoffice. Und der Frage: Wie positioniert man sich eigentlich am besten bei Videoanrufen? Schreibtisch, Küchentisch, Esstisch – in Zeiten von Homeoffice ist ja alles dasselbe. Ist die Arbeit von Zuhause in der Baubranche noch eher ungewöhnlich, sitzen nun Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an ihren Ess- äh Schreibtischen. Damit wir uns alle nicht so alleine fühlen oder dabei verrückt werden, schreibt unser neuer Kolumnist Roman Leonhartsberger aus dem heimischen Büroexil über seine Erfahrungen.
Veröffentlicht am 20.03.2020

Tag 2 – Der Nacktenvernichter 

Dress appropriately – ich freue mich, endlich meinen eigenen Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht werden zu können und die schon etwas fadenscheinigen Lieblingshemden auftragen zu können, die mich in Terminen zu sehr in die Richtung Lebenskünstler geschoben hätten. Laut Leitfaden der New York Times lautet die erste eherne Regel für Telearbeit: Nie im Pyjama vor den Rechner! Dieses Stadium habe ich also gekonnt übersprungen. Vielleicht ist etwas laisser-faire schon drin, ich positioniere meinen Laptop so, dass bei Videoanrufen im Hintergrund die Bücherwand zu sehen ist und knöpfe das Hemd zumindestens zur Hälfte zu. Selbstverständlich endet die Frage nach dem angemessenen Äußeren nicht am eigenen Leib: Der Wäscheständer links und der Hometrainer rechts sind nicht drauf. Vielleicht sollte ich noch etwas aufhängen, was auf die unablässige Bearbeitung laufender Projekte hinweist? Wenn mehr Platz wäre, könnte man sowas wie einen wackeligen, offenbar aus einem Uniseminar geklauten Resopaltisch mit Bergen von Protokollen, Vorabzügen, Terminplänen und Vertragssachen hinstellen, dazu ein paar Türme von Fachmagazinen und französischen Standardwerken der Sechziger. Und einen vollen Aschenbecher. Müsste man aber zum Staubsaugen auch alles wieder wegräumen.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

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