Berichte eines Home-Officers – Tag 6

Tag sechs des Home-Offices unseres Architekten ist angebrochen. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen nimmt immer abstrakteren Charakter an… Während den Ausgangsbeschränkungen sitzen nun Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an ihren Ess- äh Schreibtischen. Dabei ist die Arbeit von Zuhause in der Baubranche noch eher ungewöhnlich. Damit wir uns alle nicht so alleine fühlen oder dabei verrückt werden, schreibt unser neuer Kolumnist Roman Leonhartsberger aus dem heimischen Büroexil über seine Erfahrungen.
Veröffentlicht am 26.03.2020

Tag 6 – Die Kollegen

Ein normalerweise telefonisch schwer zu erreichender Projektpartner schickt ein einseitiges Emailmemorandum „an alle“, in dem er seinen ausgefeilten Maßnahmenkatalog zum Schutz seiner Mitarbeiter und Kollegen darlegt. Erreichbar sei er aber „nahtlos über die üblichen Kanäle“. Liest sich wie ein Abschiedsbrief. Viele Kollegen nutzen die allgemeine Klausur zur kommunikativen Metamorphose, mitteilungsbedürftige ghosten erst mal zehn Tage alle. Die Organisationsbestien verfallen durch die Kontaktsperre in eine Art Schockstarre und der komische Spröde schreibt alle zehn Minuten unzusammenhängende Brocken per Whatsapp. Insgesamt nimmt die Zusammenarbeit zunehmend abstrakten Charakter an, wenn sie ihn nicht schon vorher hatte.

Gähnende Leere auf den Straßen… Mit etwas Glück sieht man ein paar Klopapierberge, die sich wie durch Zauberhand fortbewegen.

Überhaupt ist es noch früh, ich bin bei der ersten Tasse Kaffee. Draussen ist kaum jemand zu sehen, ausser Richtung Waldrand flitzende Rennradhelme und sich wie durch Zauberhand fortbewegende Klopapierberge. Der Projektpartner könnte sich unter beiden verbergen. Einmal mehr kommt mir der Conrad Ahlers zugeschriebene Satz in den Sinn, dass „wer (oder was?) Morgens vor neun auf der Straße anzutreffen ist, nichts ist und auch nichts wird.“ Natürlich ist das eine besonders hämische Gemeinheit gegenüber allen, die nicht vor der Wahl stehen, wann sie den Rechner aufklappen. Und ich denke an alle, die zusätzlich zu dem Unbill, den wir alle teilen, auch noch vor Sonnenaufgang Regale befüllen oder Doppel- und Dreifachschichten in den Krankenhäusern schieben müssen. Respekt verbindet sich mit der Furcht, was man so lesen wird wenn erstmal allen, die eigentlich sowieso den ganzen Tag nichts machen, richtig langweilig wird. Vorsichtshalber ziehe ich mich mit einem Fotoband über herbstliche englische Parks und Gärten ins Bad zurück.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

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