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„Beim Thema Akquise vergeht mir regelmäßig die Lust“

Mit welchen Themen wenden sich Architekten und Architektinnen an einen Coach? Und was genau passiert eigentlich in einem Coaching? Anna Mehner arbeitet seit 10 Jahren als Coach und Strategieberaterin für Architekten und Architektinnen. In ihrer Kolumne LET’S TALK gewährt sie uns einen Einblick in Ausschnitte aus Coachingsessions mit Architekten und Architektinnen, die so oder so ähnlich stattgefunden haben könnten.
Veröffentlicht am 23.04.2021

„Hallo. Mein Name ist Eva S. (Name fiktiv), ich bin Architektin. Ich habe ein eigenes Büro und ich rufe an, weil ich glaube, das mit der Selbständigkeit sollte ich vielleicht doch lieber wieder lassen.“ Sie fügt hinzu, sie sei auf der Suche nach einem Coach, dem bzw. der sie nicht erst erklären muss, mit welchen Schwierigkeiten selbständige Architekten und Architektinnen immer wieder zu kämpfen haben. „Und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen?“

Auf meine Frage was sie als ihre größte Schwierigkeit empfindet, antwortet Eva: „Ganz klar die Akquise. Und ja, auch die Selbstbehauptung irgendwie“. Ich frage Eva nach ihrem Werdegang und sie erzählt, wie sie zur Architektur gekommen ist und warum sie sich vor vier Jahren entschieden hat, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Nach meiner Frage, wozu genau sie sich coachen lassen möchte, bleibt es für einen langen Moment still am anderen Ende der Leitung.

„Naja, wie gesagt. Ich weiß nicht so genau wie das geht mit dem Akquirieren. Schon klar, dass man sich da irgendwie ja auch ein Stück weit selbst verkaufen muss und genau damit habe ich aber ein Problem. Eigentlich soll es doch um meine fachliche Qualifikation gehen. Ich habe auch durchaus immer wieder Ideen, wen ich ansprechen könnte, doch wenn ich dann endlich loslegen will, werde ich unsicher. Ich habe dann das Gefühl, ich habe ja nicht wirklich was anzubieten, was andere Architekturbüros nicht auch machen. Dann weiß ich nicht, wie ich anfangen soll und dann verlässt mich der Mut. Ich drehe mich da irgendwie im Kreis.“

Als ich frage, was nach dem Coaching anders sein soll als jetzt, kommt die Antwort prompt: „Das beste Ergebnis wäre, dass ich dann keine Angst mehr vorm Akquirieren habe und dass ich weiß, wie ich das am besten angehe.“ Nachdem wir eine Weile geredet haben, sagt sie, sie hat ein gutes Gefühl und möchte das Coaching bei mir machen. Ich informiere sie über die Kosten, meine Rolle in unserer Zusammenarbeit und den Rahmen des Coachings. Zuletzt klären wir noch, ob wir beim Sie bleiben oder zum Du wechseln und vereinbaren einen ersten Termin.

Ein paar Tage später steigen wir in den Coaching-Prozess ein, indem ich Eva auffordere, ihr in unserem Telefonat anvisiertes Ziel ausschließlich positiv zu formulieren. „Gar nicht so leicht.“, stellt Eva fest, nachdem sie ihre ersten Sätze in alter Gewohnheit mit Ich will nicht mehr… Auf keinen Fall mach ich… und So hat es irgendwie noch nie funktioniert… begonnen hat. Die Frage, was sie stattdessen will, bringt Eva auf die richtige Spur. Sie formuliert daraufhin Ihr Ziel wie folgt: „Ich erschaffe mit Begeisterung meinen Kundenkreis.“

„Eva, Du hast gesagt, dass sich Dein Kopf immer dann total leer anfühlt, wenn Du darüber nachdenken willst, wie Du neue Auftraggeber gewinnst.“ Eva verdreht die Augen: „Ja genau. Totaler Blackout.“
„Wenn Du an dem Punkt bisher nicht weitergekommen bist, dann hast Du Dir vermutlich eine entscheidende Frage nicht gestellt. Sie lautet: Wer ist denn überhaupt mein idealer Auftraggeber*in? Wenn Du auf den Punkt bringst, wie Dein idealer Auftraggeber*in sein soll, wird sich automatisch Dein Blick für die Menschen schärfen, die zu Dir und Deinem Büro passen.“

Damit Eva ideale Auftraggeber*innen schließlich so genau wie möglich definieren kann, arbeiten wir zu Beginn mit den folgenden Fragestellungen:
Was für Auftraggeber hast Du oder hattest Du bisher?
Mit welchen dieser Menschen war der Kontakt am angenehmsten und warum?
Mit welchen ehemaligen Auftraggebern bist Du bis heute in gutem Kontakt? Warum ist das so?
Wer aus Deinem Auftraggeberkreis hat Dich weiterempfohlen? Was vermutest Du, waren die Gründe für die Empfehlung?
Was macht Dein Architekturbüro attraktiv für diese Auftraggeber jenseits der Leistungen, die Du mit Deinem Büro erbringst?

Als Eva nach einer Weile konzentrierten Schreibens gedankenverloren aus dem Fenster schaut frage ich: „Was passiert, während Du Dich mit den Fragen beschäftigst?“ Eva antwortet: „Naja, was ich ganz deutlich spüre ist, dass sich die Blockade in meinem Kopf langsam auflöst. Nur bei der letzten Frage, da hänge ich fest. Also da bin ich nicht sicher, ob ich die richtig verstehe.“ „Wie verstehst Du sie denn?“, frage ich.
„Jenseits der Leistungen? Was kann das sein? Gemeinsame Hobbies oder so?“

Evas sieht aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Also versuche ich es mit: „Wie wäre es, wenn Du Hobbies durch Interessen ersetzt?“
„Dann klingt es schon ein bisschen seriöser. Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht.“, sagt Eva. „Gibt es denn eine Verbindung zwischen Deinen Interessen jenseits der Architektur und Deiner Arbeit als Architektin?“, frage ich. „Pfff, ja vielleicht.“

„Was das Akquirieren unter Umständen so schwer macht, ist die Haltung, mit der sie oft genug einhergeht. Die unausgesprochene Botschaft lautet: Ich will einen Auftrag.“, erkläre ich.
„Stimmt. Aber genau das ist es ja auch, was ich will. Oder?“
„Ja klar, willst Du einen Auftrag. Du brauchst Aufträge, um Dein Büro am Laufen zu halten und um das Leben zu führen, das Du gerne führen möchtest. Doch ganz ehrlich, wen interessiert das, außer Dich selbst?“
„Herrje! Vermutlich niemanden.“
„Vermutlich, ja. Wenn Du Dich weg vom Habenwollen zum Gebenwollen bewegst, was ist es dann, was Du zu geben hast? Und jetzt denke mal nicht an Leistungsphasen und Zeit – und Kostenrahmen. Denn erstens ist die fachliche Qualifikation das, was zu Recht vorausgesetzt wird und zweitens sind wir damit genau an dem Punkt, an dem sich auf den ersten Blick keine Unterscheidung oder nennen wir es lieber kein Alleinstellungsmerkmal festmachen lässt. “

„Okay. Verstehe. Jetzt kommen wir zu den Interessen, richtig?“
„Genau. Du hast mir im Verlauf unseres heutigen Gesprächs von einem Thema erzählt, das Dich schon immer brennend interessiert hat. Und wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann hat Dich genau das Thema zur Architektur geführt. Und jetzt stell Dir vor, dass es da draußen Menschen gibt, für die spielt dieses Thema auch eine große Rolle…“
Eva lacht. „Dann haben wir ein Match?“
„Fast. Denn noch kennt Ihr Euch nicht. Mit der Beantwortung der Eingangsfragen konntest Du herausfinden, wie gut Deine bisherigen Auftraggeber*innen und Du zusammenpassen. Du siehst, mit wem es gut lief und mit wem nicht. Du erkennst, was zu einer guten Beziehung beigetragen hat und vielleicht haben ja auch Gemeinsamkeiten dazu geführt, dass Du weiterempfohlen wurdest und dass der Kontakt über die Projektkaufzeit hinweg besteht. Diese Übung macht es Dir unter Umständen leichter, deine idealen Auftraggeber*innen zu beschreiben.“

Bevor wir unsere erste Session beenden, gebe ich Eva als Vorbereitung auf unser nächstes Treffen eine Aufgabe.
„Ich schicke Dir heute noch eine Mail mit einem Arbeitsblatt, das Fragen beinhaltet, mit deren Hilfe Du das Modell Deiner idealen Auftraggeber*innen entwirfst.“
„OK Ich bin gespannt. Und wie geht es weiter, wenn ich die Fragen beantwortet habe?“
„Dann schauen wir uns an, in welchem Umfeld sich die Personen bewegen, die Deiner idealen Auftraggeber*in entsprechen und wie Du am besten in Kontakt mit diesen Menschen kommen kannst.“

Eva seufzt und lächelt mich an. Ich frage:
„Wie geht es Dir jetzt im Vergleich zum Beginn unseres Gesprächs?“
„Ich fühle mich erstaunlich frisch und vor allem habe ich das Gefühl, Akquise kann vielleicht sogar Spaß machen. Könnte ja sein. Oder?“
Jetzt muss ich lachen.
„Könnte sein. Es kommt halt immer auf die Perspektive an.“

Text: Anna Mehner

 

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