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Endlich unabhängig

Für viele Inhaber ist ihr Büro ihr Lebensmittelpunkt. Es ist das Ergebnis vieler Jahre harter Arbeit- in der Summe ein Lebenswerk mit für den Inhaber unschätzbarem Wert. Nicht primär materiell, sondern häufig auch immateriell. Vielfach wird die Übergabe eines so persönlichkeitsabhängigen Unternehmens wie einem Architektur- oder Ingenieurbüro vom Inhaber als unmöglich angesehen. Es gilt als unvorstellbar, jemand anderem den Organismus Büro zu übertragen, was oft eine gravierende Fehleinschätzung ist. Neue Ideen durch jüngere Unternehmerpersönlichkeiten können Impulse geben, das Büro erscheint dadurch möglicherweise in einem frischeren, moderneren Licht. Ebenso wichtig: All die bisher auf den Ruhestand verschobenen Pläne wie Hobbies oder Reisen gewinnen nun mehr an Gewicht. Wie eine Büroübergabe erfolgreich wird und damit das „Loslassen“ leichter fällt, zeigen nachfolgende Tipps.
Veröffentlicht am 25.01.2021

Ab jetzt so entbehrlich wie möglich machen

Ein zum Verkauf stehendes Büro sollte so gut wie möglich dastehen, die Prozesse möglichst ohne ständigen Beitrag des Inhabers funktionieren. Ein allzu inhaberbezogenes Büro ist nur schwer zu übergeben. Daher ist der Aufbau einer zweiten Führungsebene wichtig, somit sind die Unternehmer- und Führungskompetenzen der jeweiligen Mitarbeiter zu identifizieren. „Klare Ansagen“ gehen zwar schneller, aber ein partizipativer Führungsstil fördert die Eigenverantwortung der Mitarbeiter, verbessert das Büroklima und verschafft dem Inhaber mehr Freiraum für strategisches Arbeiten.

Die wirtschaftliche Situation betrachten

Dazu sollte der Inhaber seine Ertragssituation analysieren und Stellschrauben kennen. Es sind bestimmte Parameter anzuschauen, um die Erträge entsprechend zu steigern. Ganz wichtig dabei die Honorarkalkulation. Ist das Verhältnis von Kostenstruktur und Stundenkalkulation stimmig? Dann das Portfolio: Abhängigkeiten von wenigen Großkunden sollten gegebenenfalls durch Akquise kompensiert oder neue zukunftsfähige Auftragsfelder definiert werden, eine gute Durchmischung von kleineren und größeren Projekten ist für die Auslastung sinnvoll, die wiederum Auswirkungen auf Ressourcenplanung hat. Die Wertigkeit ist aber auch von der technischen Ausstattung abhängig, d.h. notwendige Investitionen in die Digitalisierung sind rechtzeitig einzuplanen. Nicht zuletzt sollten Rechnungen zeitnah gestellt werden. Auch der Blick nach innen hilft: eine gut durchmischte Altersstruktur ist wertsteigernd, der „Markenwert“ über die Homepage oder Social Media nach außen in Richtung potentielle Mitarbeiter und Kunden zu transportieren, natürlich den intern gelebten Wertvorstellungen entsprechend. Die Arbeit an diesen Themen ist mühsam, aber lohnend, um bei der Übergabe ein „fittes“ Büro präsentieren zu können. 

Den „Wert“ des eigenen Büros bemessen 

Bei der Büroübergabe gilt es einen Wert zu finden, der für den Verkäufer möglichst rentabel ist und gleichzeitig für den Käufer einem attraktiven, finanzierbaren Preis entspricht. Das Wertempfinden des Verkäufers müssen für den Käufer und dessen Bank also nachvollziehbar sein. Daher müssen die Ausgangsparameter möglichst transparent sein. Der Wert eines Unternehmens bestimmt sich in erster Linie aus der Chance, mit diesem zukünftig Erträge zu erwirtschaften. Die Fähigkeit, am Markt zu agieren, kennzeichnet den „operativen Unternehmenswert“. Die Höhe dieses Wertes resultiert aus dem Zusammenspiel aller betriebswirtschaftlichen Komponenten, insbesondere aus den Auftragsfeldern, Kompetenzen der Mitarbeiter und deren Engagement, die Organisation der Prozesse, Positionierung am Markt etc. Bei der Bewertung eines Architektur- und Ingenieurbüros haben sich primär zwei Verfahren etabliert, das Ertragswert- und das branchenspezifische Statuswertverfahren. Das Ertragswertverfahren basiert auf dem vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) veröffentlichten Standard IDW S 1: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen. Dieses Verfahren betrachtet das zu bewertende Unternehmen als Geldanlageobjekt und vergleicht dieses mit einer risikoäquivalenten Anlage auf dem Kapitalmarkt. Es wird vor allem bei großen und mittelständischen Unternehmen eingesetzt, die meist als Kapitalgesellschaft firmieren. Der Ertragswert entspricht dabei dem Barwert aller den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse aus dem Unternehmen. Diese zu prognostizierenden und zu diskontierenden Ergebnisse werden aus einer Planerfolgsrechnung des Unternehmens abgeleitet. Dabei muss sichergestellt werden, dass die für den Betrieb notwendige Liquidität, Geschäftsausstattung und andere Vermögensgegenstände zu jedem Zeitpunkt überlebens- und wirtschaftsfähig ist. Die finanziellen Überschüsse setzen sich in der Regel aus dem ausschüttungsfähigen Unternehmensgewinn sowie evtl. den zusätzlichen, an die Anteilseigner auszuzahlenden und erfolgsabhängigen Tantiemen zusammen. Die so ermittelten Ergebnisse werden anschließend mit einem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Der Kapitalisierungszinssatz entspricht der Rendite einer Alternativanlage, die zum Bewertungsobjekt in Hinblick auf Risiko, Anlagezeitraum und Besteuerung vergleichbar ist. Auch das IDW hat erkannt, dass für die Bewertung von personenbezogenen Unternehmen wie Architektur- und Ingenieurbüros Besonderheiten zu beachten sind, da hier die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Inhabers - z.B. bei der Akquise - nicht berücksichtigt werden dürfen. Bei der Bewertung von Architektur- und Ingenieurbüros nach dem Statuswertverfahren von Dr.-Ing. Werner Preißing als modifizierte Ertragswertmethode fließen quantitative und qualitative betriebswirtschaftliche Faktoren, also auch der Personenbezug, in die Bewertung mit ein. Ziel dabei ist, eine möglichst ganzheitliche Betrachtung der Bürosituation. Herangezogen werden dazu vier Bausteine: Praxiswert (Blick in die Vergangenheit), Substanzwert und Organisationswert (aktuelle Situation und erforderlicher Investitionsbedarf ) und Auftragswert (Zukunftsfähigkeit) ergeben zusammen den Statuswert

Fazit:
Für die Nachfolgeregelung sollte man sich ausreichend Zeit nehmen, um sich und sein Unternehmen entsprechend vorzubereiten. Etwas 2-3 Jahre, wenn bereits ein Aspirant gefunden ist, ungefähr 3-5, wenn die Suche nach einem Übernehmer noch ansteht. Dieser könnte ein anderes Büro sein als Übernehmer bzw. Partner, im Zuge von Wachstumsstrategien eine durchaus interessante Option. Alternativ wäre auch ein Freiberufler oder ein Architekt bzw. Ingenieur auf dem Weg in die Selbständigkeit zielführend. Fündig wird man auch z.B. auf der Nachfolge-Börse (www.nachfolge-boerse.de), einer Plattform für Büroangebote, -gesuche und -partnerschaften. Aber auch spezialisierte Beratungsunternehmen moderieren den gesamten Übergabeprozess, von der Suche über die Preisverhandlungen bis hin zum Vertragsabschluss mit dem menschlich passenden Gegenüber. Wichtig ist dabei, ein ganzheitlicher Blick und viel Einfühlungsvermögen, um Inhaber bei diesem menschlich und unternehmerisch anspruchsvollen Weg gut zu begleiten.

 

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